Poetik und Wissenskulturen
Slawistische und Vergleichende Literatur- und Kulturforschung
Alter(n)sdarstellung und Hydropoetologie, Lamentation und Trauma, Querdenken und Zukunftsästhetik - im Fachbereich Slawische Literatur- und Kulturwissenschaft forschen wir zu grundlegenden Fragen der Poetik und der slawischen Wissenskulturen. Unsere wissenschaftliche Arbeit gestalten wir sprach- und epochenübergreifend, inter- und transdisziplinär, in individuellen Projekten und im Forschungsverbund des Instituts, der Fakultät oder der Universität sowie in internationalen Kooperationen.
Unser Habilkreis bietet Nachwuchswissenschaftler:innen die Möglichkeit zum theoretsch-methodischen Austausch, zur Vernetzung postdoktoraler Projekte und Entwicklung neuer Forschungsfragen. Darüber hinaus haben sich Nachwuchswissenschaftler:innen der Slawistik im disziplinübergreifenden Arbeitsbereich Ukraine & Belarus vernetzt. Dieser möchte neue Forschungsfelder erschließen, die die slawischen Sprachen, Literaturen und Kulturen Osteuropas in ihren historischen Verflechtungen betrachten und nicht zuletzt zu einer Diversifizierung ostslawistischer Lehrinhalte beitragen.

Das Institut für Slawistik Graz betreibt interdisziplinäre Forschung im Bereich der kultur- und literaturwissenschaftlichen Aging Studies, vertreten von Dagmar Gramshammer-Hohl, die zu Alternsrepräsentationen in der russischen und bosnisch/kroatisch/serbischen Literatur forscht, nicht zuletzt unter dem Blickwinkel der Intersektionalität, sowie zu aktuellen Generationsdiskursen in der Slavia. Sie ist Mitglied des Advisory Board des European Network in Aging Studies, in das sie Ost- und Südosteuropaexpertise einbringt, und bildet mit Oana Hergenröther (bis 2024), Ulla Kriebernegg (CIRAC) und Florian Bieber (CSEES) sowie Kolleg:innen aus Regensburg, Budapest und Sofia das Forschungsteam des von der VolkswagenStiftung geförderten Projekts Transforming Anxieties of Ageing in Southeastern Europe: Political, Social, and Cultural Narratives of Demographic Change (2023-2027).
Eine langjährige Kooperation besteht mit dem Forschungsschwerpunkt zur Transformationsästhetik von Tatjana Petzer, die u. a. Gegenentwürfe zum Altern, allen voran Verjüngung, Unsterblichkeit, trans- und posthumane Existenz in IT, Kunst, Medizin, Naturwissenschaft und Philosophie untersucht. Ergebnisse beider Perspektiven werden im September 2025 im Rahmen der gemeinsamen Tagung Transforming Representations of Aging in Southeast European Literature and Film (SEE Aging Graz) diskutiert.
Ausgewählte Publikationen:
Gramshammer-Hohl, Dagmar; Hergenröther, Oana (Hg.) (2021): Foreign Countries of Old Age: East and Southeast European Perspectives on Aging. Bielefeld: Transcript.
Gramshammer-Hohl, Dagmar (Hg.) (2017): Aging in Slavic Literatures: Essays in Literary Gerontology. Bielefeld: Transcript.
Petzer, Tatjana (Hg.) (2021): Unsterblichkeit. Slawische Variationen. Berlin: Matthes & Seitz.
Kontakt:
Priv.-Doz. MMag. Dr. Dagmar Gramshammer-Hohl
Im Rahmen der strukturierten Doktoratsausbildung ist die Professur für Slawische Literatur- und Kulturwissenschaft an mehreren Doktoratsprogrammen beiteiligt, die für vielseitige Forschungsinteressen anschlussfähig sind, etwa zu slawischen Literaturen und Kulturen im Kontext von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz, zu Transformationsästhetik und Intermedialität sowie zu Mittelmeer- und Südosteuropa-Diskursen.
Aktuelle Postdoc-Projekte und Qualifikationsvorhaben zur Erlangung der Venia Legendi werden in unserem Habilkreis, der in regelmäßigen Abständen zu Arbeitstreffen und kleinen Workshops zusammenkommt, diskutiert.
Die Klage sei, so Walter Benjamin in einem Essay aus dem Jahre 1916, der “ohnmächtige Ausdruck der Sprache”. Zugleich sei sie aber auch ein Schritt aus der Sprachlosigkeit, da sich Trauer von der Stummheit über die Klage in der Musik versprachliche. Das Projekt widmet sich der bis ins 20. Jahrhundert reichenden und mit den jüngsten Kriegen und sozialer Traumatisierung wieder auflebenden Tradition des Klagens bei den Slawen. Untersucht werden zum einen
- das breite Spektrum des Weh- und Anklagens, von der rituellen Totenklage bis zum vielstimmigen Klagegesang,
- Differenzen in der regionalen Verbreitung und Verwendung der Lamentation,
- die soziale Funktion von Klagefrauen in liminalen Situationen der Gemeinschaft,
- transgenerationale und somatherapeutische Aspekte des Klagens,
Dichtung in der biblischen Tradition der Kinot,
- das emotionale Durchleben des Schriftkörpers.
Zum anderen wurde mit <polyphon> ein experimenteller Raum für gemeinsames Singen und Durchleben überlieferter wie kunstvoll komponierter Arrangements der Lamentation im Besonderen und den slawischen Gesang im Allgemeinen geschaffen.
Veranstaltungen:
Klang und Klage in Kooperation mit KULTUM am 18.11.2023
Live-Mitschnitt der Stimmperformance von Hilde Kappes & Anna Petzer (Berlin), der Lesung mit Sofia Andruchowytsch (Kyjiw) und der audiovisuellen Performance von Svitlana Zhytnya & Nick Acorne (Charkiw/Graz)
Seit 2025 ist Tatjana Petzer Co-Sprecherin des konzeptionen Clusters im überfakultären Profilbereich Dimensionen Europas, dessen Mitglieder den Transfer von Wissen, Ideen und Konzepten sowie die Vielfalt der sich wandelnden Diskurse und Vorstellungen über Europa in deren Wechselwirkungen und Zusammenhängen untersuchen. Damit schließt sie an ihre Forschung im Verbundprojekt Topographie pluraler Kulturen Europas, in Rücksicht auf die ›Verschiebung Europas nach Osten‹ (2006-2009) am Berliner Zentrum für Literatur- und Kulturforschung an.
Publikationen:
Tatjana Petzer (Mithg.): Die Ordnung pluraler Kulturen Figurationen europäischer Kulturgeschichte, vom Osten her gesehen, Berlin: Kadmos 2014.
Die Slawistik beteiligt sich am Cluster 2 des Schwerpunktbereichs "Transmediterrane Verflechtungen“ mit Forschungsprojekten zur Ästhetik des Mittelmeers, seinen künstlerischen Repräsentationen und Diskursivierungen:
- Das Mittelmeer in der Literatur der russischsprachigen Emigration: Ein ambivalenter Sehnsuchtsort (Dagmar Gramshammer-Hohl)
- Poetik und Wissen der Adria (Tatjana Petzer)
- Masterseminar SoSe 2024 "Der Mediterran in Literaturen aus und über Südosteuropa"
-
Karl Kaser Explorative Research Grant 2024: "The Telluric-Maritime Paradigm in South Slavic Spatial Thinking and Representation" (beteiligt: Mirnes Sokolović, M.A., und Silvia Stecher, B.A.)
Tatjana Petzer ist Mitglied des DfG-Netzwerks Russian Ecospheres. Forms of Ecological Knowledge in Russian Literature, Culture and History (2022-2025). Gemeinsam mit den beiden Koordinatoren des Netzwerks gibt sie das Palgrave Handbook of Russian Ecological Culture heraus, das Konzepte, Repräsentationsformen und Wissenspraktiken der »ökologischen Kultur« (ėkologičeskaja kul’tura) im russisch-imperialen, sowjetischen und postsowjetischen Raum analysiert. Das interdisziplinäre Handbuch bündelt ästhetische, literatur- und kulturwissenschaftliche sowie umwelthistorische Perspektiven auf kulturspezifische, dynamische und medial vermittelte Mensch-Natur-Interaktionen sowie auf soziale und künstlerische Interventionen in der Ökosphäre.
Ausgewählte Publikationen:
Tatjana Petzer (Hg.): Ecology in Eastern European Terminology. In: Forum Interdisziplinäre Begriffsgeschichte 12 (2023) 1. Berlin: Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung.
Sozial-ökologischer Wandel bringt stetig neue Zukunftsbilder hervor. Transformation wiederum wird von der Zukunft her entworfen. Ästhetik - Zukunft - Transformation stehen in einem dynamischen Wechelverhältnis. Zukunft hat Konjunktur, seitdem die Zukunftsentwürfe der Moderne Vergangenheit sind. Anknüpfend an wissensgeschichtliche Voruntersuchungen zur Transformationsästhetik der Moderne fokussiert Tatjana Petzer in ihrer Forschung
- mediale Modellierungen von Zukünftigkeit als weiche Faktoren der Zukunftsgestaltung
- body, human und spherical enhancement
- Zukunftswissen der materiellen (vestimentären, architektonischen, globalen) Kulturen
- weltanschauliche Trends: Immortologie, Futuro-Synergetik, Öko- und Retrofuturismus, Trans- und Posthumanismus
Ausgewählte Publikationen:
Petzer, Tatjana (Hg.) (2021): Wissen und Glaube. Figurationen des Synergos in der slavischen Moderne. Paderborn: Brill, Wilhelm Fink.
°°°synergiewissen ist ein Open Access Lexikon und interaktiver Raum, der dem interdisziplinären Austausch zu Konzepten und Modellen, Techniken und Praktiken des Zusammenwirkens (synérgeia) dient.
Die Wiki-Plattform wurde von Tatjana Petzer im Rahmen ihres von der VolkswagenStiftung mit einem Dilthey-Fellowship geförterten Projekts »Wissensgeschichte der Synergie« (04/2010-03/2021) begründet. In ihrer Forschung geht sie weiterhin dem Mäandern von Energie- und Synergiediskursen in Religions- und Geistesgeschichte, Kunst und Wissenschaft nach.
Unter Mitwirkung von Silvia Stecher, B.A., Lektorin, Literaturübersetzerin sowie Masterstudierende der Slawistik, gibt Tatjana Petzer Texte und Erinnerungen der Advokatin und Autorin Ljuba Prenner aus Slowenien der Zwischen‐ und Nachkriegszeit heraus. Die Anthologie erscheint beim Grazer Klingenbergverlag unter dem Titel »Nicht Mann, nicht Frau«.
Fachbereich Slawische Literatur- und Kulturwissenschaft
Leitung: Univ.-Prof. Dr. Tatjana Petzer Institut für Slawistik, Merangasse 70/1
Sprechstunde: dienstags 15:15-16:00, Berufstätige n.V. (Anmeldung über Moodle!)
https://homepage.uni-graz.at/de/tatjana.petzer/