Das Institut für Musikästhetik und das Institut für Slawistik laden herzlich ein zu dem Gastvortrag:
Sowjetische Maschinenmusik.
Kulturtransfer und alteritäre Rejektion
Wolfgang MENDE (Dresden)
Mittwoch, 30.11.2016, um 18.00 Uhr
Palais Meran, Raum 24 (Leonhardtstraße 12-18)
Der Vortrag untersucht die Ausbreitung einer als „produktionistisch“ (alternativ, nicht ganz deckungsgleich auch als „konstruktivistisch“, „industriell“ oder „urbanistisch“) bezeichneten Musik in der Sowjetunion der 1920er Jahre unter der Perspektive des Kulturtransfers. Ausgangsproblem war die fundamentale Krise der individualistischen Ausdrucksästhetik, die durch den soziokulturellen Paradigmenwechsel infolge der Oktoberrevolution ausgelöst wurde. Anders als Vertreter anderer Kunstformen hatten sowjetische Komponisten bis zur Mitte der 1920er Jahre keine schlüssige Antwort auf diese Krise entwickelt. Die seit 1924 – nach einem Jahrzehnt kultureller Isolation – aus Westeuropa vermittelte „neusachliche“ Musik (Hindemith, Honegger u.a.) regte ab 1926 einzelne sowjetische Komponisten (Deševov, Mosolov) zu stilistisch verwandten Maschinenmusiken an. Die begleitende Debatte tastete das kulturideologische Potenzial einer solchen Musik ab, artikulierte aber auch unterschwellige Skepsis. Dennoch war um 1930 der Kulturtransfer weitgehend durchgesetzt: fast sämtliche sowjetischen Komponisten bedienten sich in ihren Konstruktionen einer „proletarischen Moderne“ motorisch-ostinater Satzmodelle, die sich auf westeuropäische Vorbilder zurückführen ließen.
Der Vortrag wird besonderes Augenmerk auf die den Kulturtransfer vermittelnden Personen und Instanzen und ihre diskursiven Strategien richten. Ein weiterer Schwerpunkt wird darauf liegen, wie bei der Zurückdrängung der Maschinenästhetik ab 1930 deren Fremdherkunft zum Kernargument erhoben wurde.
Organisation: Margarethe Maierhofer-Lischka, Prof. Renate Hansen-Kokoruš, Ingeborg Jandl
Kontakt: margarethe.maierhofer-lischka(at)uni-graz.at