Wie bereits mehrfach bekannt gegeben, ist Peter Grzybek in der Nacht vom 28. auf den 29. Mai 2019 in Graz verstorben. Er war nach einer Operation und mehreren Beschwerden schon länger in ständiger ärztlicher Behandlung und zuletzt stationär im Krankenhaus. Dennoch hat er uns viel zu früh unerwartet verlassen. Zu seinem Andenken hat unser früherer Institutsleiter Wolfgang Eismann als langjähriger Freund und Wegbegleiter gemeinsam mit unserem ehemaligen Grazer Kollegen Peter Deutschmann die folgenden Zeilen als Nachruf verfasst.
Nach seinem Studium in Bochum mit den Hauptfächern Slawistik, Anglistik und Sprachlehrforschung, das er 1984 mit einer Arbeit aus dem Bereich der Neurolinguistik abschloss, promovierte Peter Grzybek 1988 in der Slawistik mit einer Arbeit zum "Zeichenbegriff in der sowjetischen Semiotik". Wichtige Lehrer in Bochum, die seine weitere Karriere bestimmen sollten, waren der Slawist Karl Eimermacher, der Anglist und Semiotiker Walter A. Koch und der Linguist Gabriel Altmann. Peter Grzybek war dann Assistent bei Karl Eimermacher, bis er 1992 infolge einer internationalen Ausschreibung eine Stelle als wissenschaftlicher Vertragsbediensteter am Institut für Slawistik der Karl-Franzens-Universität in Graz erhielt. Hier schaffte er es trotz umfangreicher Verpflichtungen in der Verwaltung, sich 1994 zu habilitieren. Er erhielt die Venia für "Slawische Literaturwissenschaft" und erstmals in Graz auch für "Semiotik". Peter Grzybek bekleidete mehrere Gastprofessuren, diente dem Institut als stellvertretender Institutsvorstand und in den Jahren 2004-2011 auch als Institutsvorstand.
1989 gründete Peter Grzybek mit Wolfgang Fleischer das Jahrbuch Znakolog, publizierte in den Bochumer Beiträgen zur Semiotik, in deren Beirat er 1994 aufgenommen wurde, und er war Initiator und Mitbegründer der Reihen Studien zur Phraseologie und Parömiologie und Phraseologie und Parömiologie. Zudem war er aktives Mitglied in zahlreichen semiotischen, parömiologischen und linguistischen Gesellschaften. Er hat ein umfassendes wissenschaftliches Œuvre aus dem Bereich der Psycho- und Neurolinguistik, der Semiotik, der Parömiologie und der quantitativen Linguistik vorgelegt, welches noch in einem ausführlicheren Nachruf gewürdigt werden soll. Besondere Verdienste erwarb er sich in der kritischen Aufarbeitung der sowjetischen Semiotik, in der Würdigung und Weiterentwicklung der Theorien des sowjetischen Parömiologen G.L. Permjakov, in der empirischen Sprichwortforschung und in der quantitativen Textanalyse.
Wie in seiner wissenschaftlichen Publikationstätigkeit forderte er auch in seinem Unterricht von den Studierenden ein hohes Niveau ein. Unter seiner Leitung entstanden einige hochqualifizierte Abschlussarbeiten und Dissertationen.
Peter Grzybek war ein ungemein produktiver und geistreicher Wissenschaftler, der sich stets darum bemühte, die Wissensproduktion auf eine möglichst fundierte Basis zu stellen. Ihn interessierten vor allem diejenigen Bereiche in der Kultur-, Literatur- und Sprachwissenschaft, die über individuelle Rezeptions- oder Interpretationsvorgänge hinausgingen und auf wenigstens theoretisch begründete, idealerweise aber auch empirisch überprüfbare Aussagen abzielten.
Einen sehr guten Überblick über Peter Grzybeks Leistungen bietet der bereits aktualisierte Wikipedia-Artikel sowie die persönliche Homepage des Verstorbenen, die auch ein nahezu – angesichts der Fülle der Arbeiten kann dies gar nicht mit Sicherheit behauptet werden – vollständiges Verzeichnis der wissenschaftlichen Publikationen (mit Volltexten) enthält. Auf dieser persönlichen Webseite kann man auch ein Beispiel für den hintersinnigen Humor Peter Grzybeks finden: Unter „Home“ steht als Begrüßung „Welcome … at my personal homepage“ und darunter „Feel at home“.
Als Wissenschaftler und als Person war Peter Grzybek eigenständig und originell. Mit diesen Eigenschaften hat er sich markant im Wissenschaftsfeld positionieren können, zu dessen Usancen und Traditionen er sich stets skeptisch verhielt.
Seine offene und direkte Art bedurfte seitens seiner Kollegen und Kolleginnen manchmal einer gewissen Gewöhnung. Doch sobald man merkte, dass man es bei Peter Grzybek mit jemand zu tun hatte, dem es um die Sache, – die wissenschaftliche Erkenntnis – ging und der daher empfänglich war für jede begründete Kritik, erkannte man in ihm einen jederzeit hilfsbereiten Mitstreiter. Seine Offenheit, seine Bereitschaft zu Kooperation und wissenschaftlichem Austausch sowie sein profundes Wissen, all das werden wir schmerzlich vermissen.
(Wolfgang Eismann, Peter Deutschmann, 30.05.2019)