Wenn der georgische Intellektuelle und Schriftsteller Giorgi Maisuradze dem Fluss der Gegenwart folgt, sieht er darin die Mythen wie im Rückspiegel aufblitzen. In seinen jüngsten theatralen Stücken schwimmt er gegen den Strom und sucht weiter nach Übergängen, um den Fluss zu passieren. Die vom Autor eigens ins Deutsche übertragenen Stücke zeugen davon, dass nicht jeder Übergang im postsowjetischen Raum auch Wandel bedeutet und warum kulturelles Übersetzen eine politische Praxis ist.
Er folgt darin einem Schreiben, das Heiner Müller am stärksten praktizierte und das auf Bilder setzt, die tief in unserem kulturellen Gedächtnis in Ost und West verankert sind. Alexander Kluge sagte in seinem Nekrolog auf Müller: »Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Toten tot sind.« Oder wie Müller selbst meinte: »Die Toten brauchen keine Jeans, keine Kiwis.«
Im Anschluss an die Lesung spricht der Religions- und Kulturwissenschaftler Martin Treml mit Giorgi Maisuradze über die Erfahrung und das Schreiben von Transit und Transition.
Zum Autor:
Giorgi Maisuradze ist in Tbilisi beheimatet, wo er auf drei Bühnen des Denkens agiert: an der Staatlichen Ilia Universität, wo er das Institut für Sozial- und Kulturforschung leitet, in der medialen Öffentlichkeit als Intellektueller und Autor des Prosabands »Das apokalyptische Tier« (2011) und des phantasmagorischen Stadt-Romans »KILL Tbilisi« (2013) sowie in der experimentellen Theaterszene. Als Mitbegründer des Laboratory of Performing Arts führte er zuletzt Regie seiner unter dem Titel »Lethe« (2023) erschienenen Theaterstücke.
Zum Gesprächspartner:
Martin Treml, gebürtiger Österreicher und seit vierzig Jahren Wahlberliner, forscht am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung. Er lehrt derzeit Religions- und Kulturwissenschaft an der Staatlichen Ilia Universität in Tbilisi.