Unser langjähriger ehemaliger Kollege und Freund, em. o. Univ.-Prof. Dr. Erich Prunč, ist am 28. Mai 2018 nach langer und schwerer Krankheit in Thal bei Graz verstorben. Der Verstorbene war am Institut für Slawistik von 1961-1988 tätig.
Erich Prunč wurde am 15.10.1941 in Klagenfurt als 12. und letztes Kind einer Bauernfamilie aus Schreckendorf bei St. Kanzian/ Straša vas pri Škocjanu geboren und kam, dem damaligen Usus entsprechend, im Alter von 10 Jahren ins Stiftsgymnasium Tanzenberg/Plešivec bei Klagenfurt, wo auch zahlreiche zukünftige Größen wie Florjan Lipuš, Peter Handke u.a. die Schulbank drückten. Trotz widriger Umstände für die slowenische Volksgruppe initiierte er bereits in der Schulzeit slowenische Theatergruppen, übersetzte aus dem Slowenischen und publizierte eigene Gedichte, die später, 1965, im Gedichtband Tihožitja in Klagenfurt in Buchform erschienen und von seinem Schüler Fabjan Hafner ins Deutsche übertragen wurden (Still-Leben, Klagenfurt 2006). Nach der Matura in Klagenfurt inskribierte Erich Prunč an der Universität Graz zunächst Theologie, begriff jedoch noch im ersten Studienjahr seine eigentliche Berufung als Slawist, eine Leidenschaft, der er zeitlebens treu blieb. Dank seiner umfassenden humanistischen Bildung und seiner Zweisprachigkeit wurde er noch während des Studiums an der Slawistik als Lehrender des Altkirchenslawischen und Slowenischen eingesetzt.
Als wirklich bahnbrechend ist bis heute seine 1967 verfasste Dissertation zum "inneren Lehngut" des Slowenischen zu bezeichnen, in der er eine ausgefeilte Typologie der Lehnprägungen anhand von akribisch recherchierten Belegen illustrierte; leider konnte er sich nicht entschließen, diese auch heute noch mit Gewinn zu lesende Arbeit zu publizieren. Mitte der 1970er Jahre entstand in Graz ein von ihm und Stanislaus Hafner initiiertes dialektologisch-soziolinguistisch angelegtes Projekt zur Erforschung der slowenischen Volkssprache in Kärnten, das den damaligen Forschungsstand in einem breit angelegten Thesaurus dokumentierte (erster Band 1982). Als Lehrer gelang es Erich Prunč, uns junge Studierende nicht nur für damals neue Strömungen der Sprach- und Literaturwissenschaft (Stichworte Strukturalismus, Soziolinguistik, Semiotik) zu begeistern, sondern darüber hinaus noch jene Fragen zu stellen, zu deren Formulierung wir nicht immer in der Lage waren. Er verstand es, einen neuen Blick auf bekannte und weniger bekannte Verhältnisse zu werfen, der unser Bild der Welt, der Sprache(n), der engeren Heimat und von vielem anderen oft entschieden veränderte. Er war für uns eine Art Vaterfigur, ausgestattet mit einer natürlichen Autorität, mit einer Begabung des Vermittelns und ausgestattet mit einer unfassbaren Energie.
1983 entstand seine Habilitationsschrift zur Textologie und Sprache Urban Jarniks, dem Erich Prunč 1988 eine kritische Edition folgen ließ. Auch wenn der Plan, Jarniks Werk in den letzten Jahren noch in einer soliden Ausgabe in Ljubljana zu publizieren, nicht vollendet werden konnte, setzte Erich Prunč seinem Landsmann ein wichtiges Denkmal und verhalf ihm auch im slowenischen Kontext zu der ihm gebührenden Anerkennung.
Im selben Jahr 1988 wurde Prunč als Ordinarius an das Grazer Institut für Translationswissenschaften berufen, das damals noch, strukturell bedingt, über ein wenig ausgeprägtes wissenschaftliches Profil verfügte. In kurzer Zeit machte er aus diesem Institut ein international anerkanntes Zentrum der Translatologie, verfasste mit seinen Entwicklungslinien der Translationswissenschaft (erstmalig 2001) ein Standardwerk dieser jungen Wissenschaft, widmete sich dem Kommunaldolmetschen und war in zahlreichen anderen, auch internationalen, Projekten aktiv. Auf seinem geliebten Premuda organisierte er jahrelang Sommerkollegs zur literarischen Übersetzung in den Sprachen Slowenisch und Kroatisch.
Daneben behielt er jedoch stets auch slawistische Belange im Auge, von denen das Auffinden und die kritische Edition eines Eisenkappler Passionsspiels aus dem 17. Jahrhundert besondere Beachtung verdient. Dieser kärntner-slowenische Text konnte unter der Mitautorenschaft von Matija Ogrin 2016 in Ljubljana an der Slowenischen Akademie der Wissenschaften publiziert werden, und Erich Prunč konnte auch noch die Aufführung der Passion durch eine Eisenkappler Laienspielgruppe erleben.
Die letzten drei Lebensjahre des Verstorbenen waren vom Kampf gegen die Folgen seines 60jährigen Rauchens gezeichnet, bei welchem er in bewundernswerter Manier von seiner Frau Ursula unterstützt wurde. Ihr und seinen vier Kindern gilt unser tiefes Mitgefühl.
Seine Verabschiedung wird am 4.6.2018 im Familien- und Freundeskreis stattfinden; eine Gedenkveranstaltung zu seinem 77. Geburtstag ist für den 15.10.2018, 17:00 Uhr, im vom Verstorbenen selbst initiierten und geplanten Mehrzweckraum in der Merangasse 70 geplant.
Graz, am 29.05.2018 Heinrich Pfandl